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Rathaus Bingen-Büdesheim

Städtebaulicher Ideenwettbewerb Rathaus Bingen-Büdesheim, 2012, 2.Preis

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Entlang der in Nord Süd Richtung verlaufenden Saarlandstraße ergibt sich die Chance, am „Alten Rathaus“ die städtebauliche Situation neu zu ordnen. Im Norden durch die Prof. Kraus Straße begrenzt, im Süden durch die Burgstraße ergibt sich ein Block, der bereits zur Hauptstraße nach Westen hin aufgebrochen ist. Die Burgstraße, wahrscheinlich die älteste Straße in Büdesheim, zeigt noch die vielen Höfe mit ihren verschachtelten, kleinen Parzellen, die einst die großen Güter den kleinen Bauern in Erbpacht oder Lehen gaben. Der bestehende Platzraum ist eine Tasche entlang der Saarlandstraße und profitiert im Bestand von der historischen Bedeutung des Rathauses.
Neben dem erhaltenswerten Denkmal des Rathauses ist auch die Saarlandstraße 176 als Denkmal gekennzeichnet. Der alte Herrenhof des St. Stephansstiftes, der auch den Zehnthof einschloss, ist ein renoviertes Gebäude mit romanischem Torbogen, der mit dem Stephansstiftwappen geziert ist. Er zeigt in seinem Innenhof noch die Anordnung des alten Gebäudekomplexes. Aufgabe ist es einen neuen Platz auszubilden, in der die Gebäudekanten, die attraktive Platzgestaltung und der Nutzungsvorschlag des Rathauses ein harmonisches Gesamtbild ergeben.

Raumkanten
Die Raumkanten werden neu definiert. Der Rathausplatz erhält durch die neuen zweigeschossigen Gebäude ein klar definiertes Rechteck als Freiraum, das sich zu den Straßen hin Übergänge schafft. Bestehende Raumkanten werden aufgenommen und durch die Bebauung nachgezeichnet. Zum Osten hin bildet die Bebauung Burgstraße 4 einen neuen Baukörper, der den Platz prägt. Die Bebauung der Saarlandstraße 135 wird durch zwei Gebäude ersetzt. Diese erhalten eine ähnliche Körnung und Maßstäblichkeit wie die der anderen Häuser. Die bestehende Burgstraße 8 ist nicht im Stande durch eine Umbaumaßnahme dem Anspruch an eine Platzkante gerecht zu werden.
In zweiter Reihe kann die Bebauung aber zu einem Gesamtensemble einen Beitrag leisten. Auch an der Burgstraße zum Rathausplatz hin ist eine Umstrukturierung der Brandwand wünschenswert. Neben dem geometrisch klaren Rechteck bilden sich auch untergeordnete Platzräume, die im nördlichen Bereich Intimität ausstrahlen, zur Burgstraße hin einen öffentlichen Auftakt bilden. Der Platzraum ist programmatisch offen und flexibel, dementsprechend mit einem homogenen Belag belegt. Die neuen Erdgeschosszonen tragen mit Ihrer Raumhöhe von 3,50 Metern zu einem belebten Platz bei. Öffentliche Nutzungen mit einem erhöhten Pulsschlag können hier Einzug halten. Die Möglichkeiten für belebte Ränder sind gegeben, aber auch ruhigere Nutzungen geben dem Platz einen angemessenen Rahmen.

Durchlässigkeit
Durch die Neuordnung ergibt sich die Möglichkeit der Durchlässigkeit und des dadurch entstehenden nicht motorisierten Verkehrsflusses. Dieses Potential wird geweckt, die Sehenswürdigkeit aus dem Jahre 1539 steht nun frei im Zentrum des Ortes und kann seine Bedeutung als Wahrzeichen ausbauen. Das bestehende Nebengebäude an der Burgstraße ist entstanden, um das Rathaus an die bestehende geschlossene Bebauung anzuschließen und gleichzeitig ein Solitär aus dem Gebäude zu entwickeln.
Durch die Eingeschossigkeit im Bestand entsteht eine Zäsur zum Rathaus, die wie eine Sollbruchstelle erscheint. Die Toiletten werden in einem anderen Gebäude errichtet, das Nebengebäude rückgebaut. Auch zum Norden hin wird die Hinterhofbebauung aufgebrochen und ein Durchgang zur Prof. Kraus Straße ermöglicht. So ergeben sich im Gesamten eine Anzahl differenzierter Zwischenräume, die offener, übersichtlicher, heller und freundlicher sind als sich der Bestand präsentiert.

Programmatische Ergänzung
Durch den Rückbau der Saarlandstraße 135 entsteht die Chance, neue Raumangebote für eine Attraktivierung des Rathauses und seines Umfeldes zu schaffen. Dabei soll das Programm des Rathauses in seiner momentanen Funktionen als öffentliches, mietbares Haus erhalten und gestärkt werden. Die Ergänzung des Programms soll die Substanz bieten, um das Rathaus als spezielles besonderes Element zu stärken. Es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten:

  • In einem Gasthof oder Ferienzimmerunternehmen wäre im Rathaus das Restaurant oder der Veranstaltungsraum, die übrige Bebauung wären Zimmer und erdgeschoßig untergeordnete Gemeinschaftsräume wie Kaminzimmer, Bibliothek oder Fitnessräume.
  • In einem Bürogebäude aus start up Firmen mit zeitlich mietbaren Arbeitsplätzen oder einer Kanzlei wäre das Rathaus der Besprechungsraum mit Teeküche und Mittagstisch.
  • Eine Bebauung mit Wohnungen beispielsweise als Baugruppe, die sich auch für ein Haus mit Gemeinschaftsaktivitäten interessiert ist ebenfalls möglich. Hier bieten sich Themen wie Generationenwohnen oder Wohnen im Alter an. Aufzüge und eine separate Erschließung ermöglichen diverse auch barrierefreie Nutzungsmöglichkeiten.
  • Der ruhende Verkehr wird neben den Platz begleitenden Parallelparkplätzen in einer Erweiterung der Tiefgarage untergebracht. Die Tiefgarage wird weiterhin von der Prof. Kraus Straße angefahren, eine Mitnutzung mit dem Eigentümer ist anzustreben.

Platzgestaltung
Der neu gestaltete Rathausplatz stellt das Rathaus als wichtigen Bezugspunkt in den Mittelpunkt, er nimmt zugleich Bezug zu den neuen, aktiven Fassaden am Platz. Die Fläche ist sanft geneigt und wird mit Rinnen unauffällig entwässert. Stellplätze sind entlang der Straßen möglich. Der Platzbelag ist mit einem grauen mittelformatigen Naturstein gelegt, er umfasst auch die Fahrbahn der Burgstraße und den Gehsteig der Saarlandstraße beidseitig. Vor den neuen Häusern sind zugehörige Bereiche markiert, in denen die regionale rötliche Steinfarbe erscheint.
Es sind zwei neue Bäume in runden Baumscheiben so aufgestellt, dass die Räume gegliedert werden. Eine Silberlinde markiert den Dorfplatz, ein Nussbaum die Hofsituation. Pflanzbeete entlang der aufgehenden Wände bringen dezent gärtnerische Aspekte mit weißen Blüten ein. Ein Brunnenbecken mit Trinkwasser am Waagehäuschen folgt dem Gedanken der Rast auf der schönen Route durchs Nahetal.
Der Entwurf etabliert ein Gebäudeensemble, das einen angemessenen ruhigen Rahmen bietet für einen Rathausplatz auf der einen Seite und eine Bebauung auf der anderen Seite, die ausreichend flexibel ist, um unterschiedliche Programme in sich aufzunehmen.

mit
JBBUG Johannes Böttger Landschaftsarchitekten